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Bielefeld_Verschwoerung

„Bielefeld? Das gibt’s doch gar nicht!“ Viele kennen den Mythos, nach dem Bielefeld gar nicht existiere. Doch nicht mal alle Bielefelder (so es sie denn gibt) wissen, woher diese Verschwörungstheorie stammt.

Denn zu Beginn war alles nur ein Spaß unter Freunden. Ihren Ursprung hat die Bielefeld-Verschwörung dabei nicht in Bielefeld, sondern in Kiel. Auf einer Studentenparty 1993 entfuhr einem der anwesenden Gäste ein ironisches „Das gibt’s doch gar nicht!“, nachdem ein Gast meinte, er stamme aus Bielefeld. Aus dieser zufälligen Begegnung entstand die Verschwörungstheorie um die Nicht-Existenz der Stadt Bielefeld. Kurze Zeit später, im Mai 1994, schrieb der damalige Informatikstudent Achim Held, der ebenfalls Gast auf der Party war, einen Text zur Bielefeld-Verschwörung und stellte diesen ins Internet. In einem Interview im Jahr 2014 mit Spiegel Online[1] berichtete er, dass es lediglich seine Absicht war, sich über Verschwörungstheorien lustig zu machen, die schon damals überwiegend über das Internet verbreitet wurden. Bielefeld wurde dadurch schnell überregional bekannt, sodass die Stadt selbst die Verschwörungstheorie zu Marketingzwecken nutzte. Zuletzt rief die Stadt ein Preisgeld von einer Million Euro für denjenigen aus, der wissenschaftlich belegen könne, dass es die Stadt nicht gäbe – bis heute gelang niemandem der Nachweis.

Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass sich diese Verschwörungstheorie so rasant verbreitete, obwohl der Beweis gegen sie so leicht zu erbringen ist? Zu einer Verschwörungstheorie gehört es, Umstände, die eigentlich gegen die Verschwörung sprechen, so zu erklären, dass sie doch zur Theorie passen. Achim Held erklärte beispielsweise die Existenz von Autos mit Bielefelder Kennzeichen damit, dass diese nur zur Tarnung quer durch Deutschland geschickt werden, initiiert wahlweise von der CIA oder Außerirdischen. So zeigt die Bielefeld-Verschwörung – auch wenn sie nur als Satire gedacht war – eindrucksvoll, wie Verschwörungstheorien funktionieren. Achim Held stellte auf Nachfrage immer klar, dass es sich um Satire handelt. Dennoch gab es immer wieder vereinzelt Menschen, die fest davon überzeugt waren, Bielefeld gebe es nicht. Die Verschwörungstheorie verselbständigte sich und entwickelte eine Dynamik, die Achim Held nie beabsichtigt hatte.

In einer Zeit, in der Verschwörungstheorien nicht nur durch die Corona-Pandemie wieder ins Bewusstsein vieler Menschen geraten sind, befasst sich nun auch Ursula Poznanski mit diesem Thema. In ihrem am 13. Oktober 2021 erscheinenden Thriller „Shelter“ zeigt sie auf unterhaltsame und hochspannende Weise, wie Verschwörungstheorien funktionieren und welcher Mechanismen sie sich bedienen. Ein schockierender Thriller über einen Streich, der zur beängstigenden Realität wird. Fast so, wie es auch mit der Bielefeld-Verschwörung hätte passieren können …


[1] https://www.spiegel.de/geschichte/bielefeldverschwoerung-interview-mit-erfinder-achim-held-a-968319.html